BIM im Handwerk


Während BIM schon heute zum Alltag vieler Planer gehört, hält sich das Handwerk noch zurück. Dabei sind die Vorteile dieser Planungsart enorm. Auch Fördermittel stehen parat, die den Betrieben die Qualifikation der Mitarbeiter und den Ausbau der Infrastruktur erleichtern.

BIM: Diese drei Buchstaben bewegen die Baubranche schon seit geraumer Zeit. Im Handwerk hat sich Building Information Modeling allerdings immer noch nicht durchgesetzt. Fehlende Industriestandards schrecken Betriebe ebenso ab wie die Furcht, im Alltagsstress noch eine neue Software (bzw. Arbeitsweise) einführen, Prozesse verändern und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter darauf schulen zu müssen. 

BIM – ein neuer Planungsansatz

Denn mit BIM zieht nicht nur neue Software in die Unternehmen ein, sondern ein neuer Planungsansatz: So steht BIM für die ganzheitliche Betrachtung des Planens, Bauens und Betreibens von Gebäuden, wobei alle Baubeteiligten dieselben aktuellen Daten und Informationen als Basis für ihre eigenen Planungen nutzen. Ein mit BIM konzipiertes Gebäudemodell beinhaltet zudem nicht nur Geometriedaten, Volumen und Flächen. Es integriert auch Informationen über Materialien, Einbaustandards, technische Eigenschaften, Produktdaten und vieles mehr – und ist damit bei konsequenter Aktualisierung im Bauprozess Grundlage eines digitalen Zwillings des jeweiligen Bauvorhabens.

Vorteile der BIM-Planungsmethode: von der Planung…

Die Vorteile von BIM sind dementsprechend groß – und das gilt sowohl für Planer als auch für die Bauausführung und damit den Handwerksbetrieb. „Beispielsweise erhöht die Erstellung eines digitalen Zwillings vor Baubeginn die Planungssicherheit“, verrät Mathias Hergert, Experte für Informationstechnik beim Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Planen und Bauen, einen der Mehrwerte der BIM-Planung. Hinzu kommt als weiterer Vorteil der BIM-Planungsmethode, dass modellbasierte, mit BIM geplante Projekte in allen Details schon im Vorfeld, vor der Bauphase, visualisiert werden können. Die Visualisierung der Bauteile zeigt Raumstrukturen und -beziehungen sowie Funktionen auf und macht die Verbindung der verschiedenen Bauteile untereinander und deren Abhängigkeiten voneinander sichtbar. 

…bis zum Gebäudebetrieb

Verantwortlichkeiten lassen sich klarer zuordnen und die Projektkommunikation vereinfacht sich. Qualitätskontrolle und Risikomanagement erfahren durch den Einsatz von Programmen zur Modellprüfung eine deutliche Verbesserung. Die Risiken in der Bauausführung werden damit minimiert und die Kosten- und Terminsicherheit erhöht sich, denn Fehler werden schon in der Planung gefunden – und nicht erst auf der Baustelle teuer beseitigt. Darüber hinaus führt eine BIM-Planung zu mehr Transparenz gegenüber dem Auftraggeber und allen am Bau Beteiligten. Weitere Benefits sind die unmittelbare und kontinuierliche Verfügbarkeit aller aktuellen sowie relevanten Daten, eine optimierte Dokumentation und nicht zuletzt die Möglichkeit, die gesammelten Informationen weiterzuverwenden: Sie lassen sich sowohl für die Mengenermittlung, für die Kalkulation und ebenso den Gebäudebetrieb nutzen. 

Warum hält sich das Handwerk mit BIM zurück?

Trotz der vorgenannten Vorteile hat sich das Handwerk vielfach noch nicht mit BIM beschäftigt. „Der Handwerker ist in der Regel mit seinem Kerngeschäft ausgelastet und lässt das Thema daher meist liegen“, bedauert Mathias Hergert. „Darüber hinaus fürchtet er den personellen und finanziellen Aufwand, den die Einführung von BIM mit sich bringt“, fährt er fort und ergänzt: „Oft denkt die Unternehmensführung, dass sie alles selbst machen muss – und weiß gar nicht, dass und wo es Unterstützung gibt.“ 

Fördermöglichkeiten, finanziell und personell

Dabei gibt es eine Reihe von Fördermöglichkeiten, die Handwerksbetriebe zur Einführung der BIM-Planungsmethode in Anspruch nehmen können. Das betrifft sowohl personelle Unterstützung als auch finanzielle. Im Rahmen von go-digital erhalten Handwerker Zuwendungen vom Bund zur Qualifikation der Mitarbeiter, wenn dies dem Erhalt des jeweiligen Arbeitsplatzes dient. Neben diesem bundesweiten Förderprogramm unterstützen auch landesspezifische Förderprogramme das Handwerk bei der digitalen Transformation. Weitere Fördermaßnahmen sind speziell für den Ausbau der Betriebsinfrastruktur bzw. die Anschaffung von Hard- und Software vorgesehen.

BIM-Leitfaden für Handwerksbetriebe

Um die Handwerker für die Arbeitsmethodik BIM zu sensibilisieren, bietet das Mittelstand 4.0 Kompetenzzentrum Planen und Bauen direkte Unterstützung in der BIM-Thematik an. Parallel dazu entwickelt die „Arbeitsgemeinschaft BIM im Handwerk“ des Mittelstand 4.0 Kompetenzzentrums Planen und Bauen einen BIM-Leitfaden für Handwerksbetriebe der Bau- und Ausbaubranche. Dieser soll noch in diesem Jahr online veröffentlicht werden. Der genaue Link wird über das Zentrum rechtzeitig bekannt gegeben. Die an der AG beteiligten Institute und Unternehmen – das Fraunhofer IFF, das BFE Oldenburg, das eBZ Kaiserslautern, die Uni Wuppertal und das MDH Digital – verfolgen mit dem Leitfaden das Ziel, die betreffenden Unternehmen bei der Einführung von BIM-basierten Workflows (Qualifizierungsleitfaden) zu unterstützen. 

BIM im Handwerk - Fragen über Fragen

Dazu stellen sich die Akteure des Leitfadens den Grundfragen vieler Handwerksbetriebe: Wie kann ich als Handwerksbetrieb bei BIM basierten Planungen mitmachen? Benötige ich spezielle Programme und wenn ja, welche? Gibt es auch kostenlose Software? Und was sind die Unterschiede zwischen einer kostenlosen und einer kostenpflichtigen Software? Welche Rolle nehme ich mit meinen Leistungen bei der BIM-Planung ein? Was muss ich während des Bauablaufs im Rahmen der BIM-Planung liefern und welche Leistungen und Vorteile kann ich für meine Arbeit und meine Mitarbeiter aus der Partizipation in der BIM-Planung ableiten? Mathias Hergert: „Mit dem Planungsleitfaden wollen wir den Handwerkern die Angst vor BIM nehmen und sie dazu ermutigen, auch bei BIM basierten Bauaufgaben mitanzubieten.“ 

Neue Geschäftsmodelle über BIM

Handwerker, die vor diesem Schritt weiterhin zurückschrecken, verbauen sich damit die Möglichkeit, in Zukunft Angebote abzugeben. Denn schon seit 2021 schreibt die Gesetzgebung bei der Vergabe öffentlicher Aufträge eine BIM-Pflicht vor. „Und über kurz oder lang werden wohl alle Aufträge – ab 0,5 Millionen Euro – mit der Auflage verbunden werden, die Projekte mit BIM zu planen. Wer diese Planungsmethode dann noch nicht eingeführt hat, verliert womöglich zukünftig Aufträge und schadet sich damit selbst“, mahnt der Experte für Informationstechnik im Bereich Planen und Bauen. Mathias Hergert ist überzeugt: „BIM wirkt sich auch auf die Fachplanung aus – und damit ist die Planungsmethode mit all ihren Vorteilen auch für Handwerker interessant“. Nicht zuletzt werde auch der Rückbau irgendwann von BIM betroffen sein, „sodass BIM auch einen Vermarktungsvorteil – und die Möglichkeiten neuer Geschäftsmodelle – darstellt“, zieht er Bilanz: „Denn wenn in den Materialstammdaten zusätzlich der Name des Handwerksunternehmens steht, der das betreffende Produkt eingebaut hat, schließen sich für diesen damit neue Geschäftsmodelle an.“ 


07.07.2022