BIM als Impuls für steten Wandel


Jens Bredehorn, Mit-Geschäftsführer der Firma Vrame Consult GmbH, Berlin, zur Digitalisierung im Bauwesen und seiner Einschätzung über die Implementierung moderner Arbeitsmethoden. Er sagt, dass sich BIM in Deutschland von unten, aus den Unternehmen und dem Mittelstand heraus entwickele und sich deutsche Unternehmen mit dem so erworbenen Know-How auch international etablierten.


Mit dem Format “Interview” geben wir unterschiedlichen Persönlichkeiten Raum, ihre Einschätzung zu BIM und den relevanten Themen rund um die Digitalisierung zu geben. In loser Folge kommen Experten, Praktiker, Unternehmer und viele andere zu Wort. Wir bilden damit auch die Vielfalt an Möglichkeiten und Meinungen zur Digitalisierung der heimischen Bau- und Immobilienwirtschaft ab.


Sie arbeiten derzeit in sehr großen BIM-Projekten. Wie schätzen Sie die Nutzung von BIM bei kleinen und mittelständischen Unternehmen in Deutschland ein?

Ich denke, dass sehr viele Unternehmen schon jetzt in der Lage sind, BIM-orientiert zu arbeiten. BIM-orientiert zu arbeiten muss man vor allem verstehen als einen organisierten Informationsaustausch zwischen Projektbeteiligten, was zu einer optimierten Kollaboration, Koordination und Kommunikation in den Projekten führt. Es gibt allerdings einige Punkte in der derzeitigen Debatte über BIM, die mich irritieren und der Implementierung aus meiner Sicht im Wege stehen. Beispielsweise die Debatte über besondere und Grund-Leistungen oder die Behauptung, deutsche Unternehmen seien weit hinterher oder jene, dass man sich zwischen open und closed BIM entscheiden müsse. Es werden zu viele Ängste aufgeworfen, was es nicht leicht macht, das Thema BIM auch in den kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) zu kommunizieren.

Sehen Sie persönlich das Thema BIM als besondere oder als eine Grund-Leistung an?

Die Diskussion, ob BIM eine besondere oder eine Grund-Leistung ist, ist für mich grundsätzlich falsch, da es gar keine einheitliche Definition der Ausprägung der BIM-Methode gibt. Somit wird es wohl von Projekt zu Projekt unterschiedlich sein und lässt keinen allgemeingültigen Spielraum für die Debatte zu. Der Glaube an die besondere Leistung durch BIM-orientierte Arbeitsweisen impliziert einen Mehraufwand für KMU, die sich der Thematik annehmen wollen, was meiner Meinung nach dazu führt, dass diese abgeschreckt werden. Wichtiger ist, die Ausprägung der BIM-Methode zu definieren – besonders bei öffentlichen Auftraggebern besteht die Gefahr, dass durch unzureichende Vorgaben dazu Nachträge produziert werden.

Die Begriffe „open BIM“ und „closed BIM“ sind in aller Munde. Was bedeutet es genau in Ihren Projekten und welche ist die bessere Strategie?

Open BIM und Closed BIM mit ihren Geschwistern little BIM, BIG BIM etc. bedeuten, dass ein Datenaustausch entweder über offene Datenformate (beispielsweise IFC) oder über proprietäre Datenformate der jeweiligen Ersteller-Software stattfindet, wobei beim Closed BIM disziplinübergreifend auf eine gleiche Software-Lösung geachtet werden muss. Projekte stehen daher oft vor der strategischen Frage: Open oder Closed? Ist es aber strategisch wirklich notwendig, sich zwischen Open BIM oder Closed BIM entscheiden zu müssen? Diese Fragen sollten in Projekten und Unternehmen gar nicht erst gestellt werden. Die strategische Ausrichtung sollte sich also nicht über die verwendeten Softwareformate definieren, sondern vielmehr über diese drei Bereiche: Informationserhebung, Informationsaustausch und Informationsnutzung. Jeder Bereich für sich kann in den Schnittstellen verschiedene Ausprägungen haben. Diese Bereiche untergliedern sich wiederum in die Modellerstellung, Klassifizierung und Spezifizierung, Generierung von Dokumenten, dem Austausch von 3D-Modellen, der Qualitätssicherung, BIM-Anwendungsfällen und interne Prozesse. Demnach stellt sich die Frage „Open BIM oder Closed BIM“ gar nicht. Beide Strategien haben für bestimmte Anwendungsfälle Vor- und Nachteile. Es wird jedoch niemals eine Strategie für sich alleine stehen. Oft reicht es, die Anwendungsfälle schnittstellenneutral zu betrachten und auf die Vorgabe von Software und Schnittstellen gänzlich zu verzichten. Grundsätzlich können also beide Strategien in Projekten verfolgt werden und Diskussionen über und letztlich auch die Begrifflichkeiten „open BIM“ und „Closed BIM“ selbst werden obsolet.

Wie stehen Sie zur Diskussion über das Thema Leistungsbilder bzw. neuen BIM-Rollen in den Projekten?

Die Definition von BIM Rollen ist in meinen Augen nicht immer zielführend. Wer welche Rolle und Leistungen in einem Projekt übernimmt, ist von dem Projekt abhängig und kann nicht nach Gewerken eingeteilt werden. Nach einer zugegebenermaßen nicht sehr gründlichen Recherche stießen wir auf 23 neue „BIM“-Berufsbilder. Von BIM-Manager bis BIM-Bibliothekar lässt der Teller bunter Knete keine Wünsche offen. Sicherlich gibt es in der Anzahl der Berufsbilder Gemeinsamkeiten oder sogar gleiche Ausprägungen. Die klassischen Berufsbilder werden sich ändern, aber das sollte nicht mit sich führen, dass zusätzliche, (künstliche) Rollen eingeführt werden. Die Aufgabenfelder werden sich im Zuge einer BIM-Einführung erweitern und in der Methodik ändern, doch die Leistungsbilder werden sich in die klassischen Leistungen und Aufgaben der Planung integrieren und mit der Zeit in die normalen Prozesse übergehen. Besser also: „BIM benötigt neue Leistungen in den traditionellen Berufsbildern, aber alte Leistungen fallen auch weg bzw. werden zu den neuen.“

Es wird gesagt, dass Deutschland in der Umsetzung der BIM-Methode hinterher sei. Halten Sie BIM-Vorgaben von der öffentlichen Hand für erforderlich, um aufholen zu können?

Die Behauptung, dass wir in der Implementierung von BIM zurückliegen und „die Anderen“ schon viel weiter, entspricht nicht ganz der Realität. Aus Sicht der öffentlichen Hand stimmt diese Wahrnehmung tatsächlich. In vielen Ländern wird die Anwendung von BIM in öffentlichen Bauvorhaben vorgegeben, wie z. B. in Großbritannien, Nordamerika, Skandinavien oder Teilen Südostasiens. Sind diese Regionen aber besser dran als das als langsam geltende Deutschland in Sachen BIM? Ich glaube nicht. Im Gegensatz zu den genannten Nationen und Regionen entwickelt sich BIM hierzulande „von unten“, aus der Wirtschaft, aus den Unternehmen heraus. Es gibt viele gute Beispiele dafür, dass BIM in Deutschland sehr gut funktioniert und schon weit vorangeschritten ist – auch ohne öffentliche Vorgaben. Insbesondere etablieren sich deutsche Unternehmen auch auf dem internationalen Markt und bestätigen genau jenes gewachsene und sich von unten entwickelte Know-how, das in Deutschland zu schnell in Frage gestellt wird. Die öffentliche Hand, zahlreiche Stufenpläne, theoretische Ansätze und fragwürdige Forschungsprojekte werden an der Entwicklung „von unten“ nichts ändern.

Was ist Ihrer Meinung nach wichtig, um BIM erfolgreich im Unternehmen und in Projekten zu implementieren und die von ihnen angesprochenen Irritationen zu vermeiden?

Implementieren und verändern Sie Ihre Prozesse sinnvoll und folgen Sie nicht „wilden“ BIM-Anwendungsfällen. Vorab müssen Sie die klassische Terminplanung umstellen, weg von Leistungen und hin zur Umstellung auf Bauteilebene. Versuchen Sie beispielsweise als Auftraggeber nicht in die internen Prozesse Ihrer Auftragnehmer einzugreifen. Beschreiben Sie Ihre Detailierungsanforderungen funktional. Beschreiben Sie Leistungen und keine Berufsbilder. Setzen Sie Ihre Strategie unabhängig von Open BIM oder Closed BIM auf. Suchen Sie den besten Planer bzw. die besten Planer-Teams und nicht diejenigen, die auf Basis irgendwelcher Referenzen am besten BIM können. Bestellen Sie nur das, was Sie auch selber verwerten. Begreifen und akzeptieren Sie BIM als Stein des Anstoßes für einen fortlaufenden Wandel der Prozesse, Arbeits- und Denkweisen in Ihrem Unternehmen und Ihren Projekten. Märkte, Auftraggeber, Produkte und staatliche wie politische Rahmenbedingungen ändern sich. Es kann heute keine erfolgversprechende Überlebensstrategie sein, all das zu ignorieren und das eigene Geschäftsmodell nicht anzupassen.


21.09.2018