Fachexperten: Wie Planungs- und Bauunternehmen bei der Digitalisierung unterstützt werden können


Unter Einbezug von Fachexperten aus Wirtschaft, Wissenschaft und Verbänden fand Anfang Januar eine öffentliche Anhörung des Ausschusses für Bau, Wohnen, Stadtentwicklung und Kommunen zum Thema Digitalisierung des Planens und Bauens statt. Welche akuten Themen der Bauwirtschaft dort angesprochen wurden, wird im folgenden Beitrag zusammengefasst.

Am 15. Januar 2020 fand unter Teilnahme von Sachverständigen aus Wissenschaft und Bauwirtschaft eine öffentliche Anhörung im Ausschuss für Bau, Wohnen, Stadtentwicklung und Kommunen statt. Anlass hierzu war die Antragseinreichung der Koalitionsfraktionen mit dem Titel „Digitalisierung des Planens und Bauens“ sowie der FDP-Fraktion mit dem Titel „Smart Building – ein Update für den Wohnungsmarkt“ im Herbst letzten Jahres. Unter Berücksichtigung der kleinteiligen Unternehmensstruktur der Bauwirtschaft, zeichneten sich insbesondere Themenschwerpunkte im Bereich der Normung und Standardisierung sowie um Building Information Modeling (BIM) ab. Ziel der öffentlichen Anhörung war es, auf Basis von Expertenmeinung die Anträge zu diskutieren und potentielle staatliche Unterstützungsmaßnahmen abzuleiten.

Vor dem Hintergrund knapper personeller und finanzieller Ressourcen der kleinen und mittleren Unternehmen (KMUs) verwies René Hagemann-Miksits vom Hauptverband der Deutschen Bauindustrie auf den hohen betriebsinternen Mangel an Normungsexperten, die in entsprechenden branchenbezogenen Gremien tätig werden können. Die bisherige Trennung, Normung sei reine Privatsache, könne aufgrund der dynamischen Normungsentwicklung nicht mehr Bestand haben. Dem pflichtete auch Dr. Jan Tulke, Geschäftsführer der planen-bauen 4.0 GmbH bei. In der Normung würden vor allem Schwierigkeiten in der Dokumentenerstellung pre-normativer Projekte und der Freistellung von Mitarbeitern für die Besetzung von internationalen Normungsgremien bestehen.

Auch das Thema Standardisierung fand in der öffentlichen Anhörung besondere Beachtung. Walter Palmetshofer von der Open Knowledge Foundation Deutschland sieht durch die Weiterentwicklung offener Standards vor allem die Chance, technische Souveränität in der Baubranche zu erlangen - ein Wettbewerbsvorteil, der in anderen digitalen Branchen bereits verloren sei. Technische Souveränität bedeutet in diesem Zusammenhang, dass nationale Unternehmen von einer ausgereiften Marktposition heraus das eigene Geschäftsmodell selbstbestimmt und ohne Abhängigkeiten zu ausländischen Produzenten weiterentwickeln können. Dabei sei es jedoch wichtig, so Walter Palmetshofer, dass auch staatliche Behörden im Bereich offener Standards, offener Daten und freier Software mit gutem Beispiel vorangingen.

Eine ebenso große Vorbildfunktion der öffentlichen Hand sieht Prof. Dr. Daniel Mondino von der HafenCity Universität Hamburg durch die Einführung von BIM im Hochbau. Die gewonnenen Erkenntnisse aus der Einführung des BIM Stufenplans im Tiefbau seien grundsätzlich auf staatliche Hochbaumaßnahmen übertragbar. Zwar sei das Projektvolumen im Vergleich zum Tiefbau geringer und es müssten Anpassungen vorgenommen werden, doch habe man durch den Stufenplan bereits viel über die Vorgehensweise und notwendige Rahmenbedingungen gelernt, schlussfolgerte Prof. Dr. Daniel Mondino.

Die Notwendigkeit BIM-Pilotprojekte in die Breite zu bringen und mehr Ebenen der Öffentlichen Verwaltung zu involvieren, betonte mitunter Dr. Jan Tulke. Pilotprojekte müssten jedoch durch klare Vorgaben und Anpassungen bestehender Regelwerke vorab so konfiguriert werden, dass ein modellbasiertes Arbeiten auch tatsächlich ermöglicht werde. Mit der Einführung des nationalen BIM-Kompetenzzentrums werde auch ein Grundstein für die harmonisierte Einführung gelegt, so Dr. Jan Tulke. Durch die Gründung des Kompetenzzentrums sieht Johannes Reischböck vom Bundesverband der Bausoftware zudem die Chance, neue Technologien zu testen und entsprechende Kompetenzen in der Nutzung zu entwickeln.

Martin Müller, Bundesvizepräsident der Bundesarchitektenkammer, verwies im Laufe der Ausschusssitzung jedoch darauf, dass eine zu schnelle Beschränkung der öffentlichen Vergaberichtlinien auf BIM wie ein Trichter wirken könne, der nur wenige Unternehmen im digitalen Transformationsprozess mitnehmen würde. Mit Blick auf das Vergabeverfahren verdeutlichte Martin Müller zudem, dass vonseiten der Bundesarchitektenkammer die Trennung von Planung und Ausführung weiter vorangetrieben werde. BIM könne lediglich der Effizienzsteigerung und der Gewinnung eines Datenpools dienen. Dem widersprach René Hagemann-Miksits deutlich, und betonte, dass die Vorteile der Digitalisierung nur durch Prozessänderungen realisiert werden können. Dazu bedarf es mehr Miteinander und folglich einer stärkeren Integration des Planens und Bauens.

Eine potentielle BIM-Pflicht im sozialen Wohnungsbau stieß bei den meisten Fachexperten jedoch auf Granit. „Wir können uns mit BIM auf den Kopf stellen, wenn wir keine Grundstücke verfügbar haben, wenn wir weiterhin unter einen entsprechenden Normdicke arbeiten müssen und wenn wir die Auslastung der Bauwirtschaft sehen“, verdeutlichte Martin Müller. Grundsätzlich würde zwar nichts gegen eine Anwendung von BIM im Wohnungsbau sprechen, jedoch könne BIM nicht die Antwort sein, um den Wohnungsbau zu beschleunigen. So fasste auch Dr. Andreas Geyer in diesem Kontext pointiert zusammen: „Digitalisierung allein ist es nicht“. Digitale Lösungen können jedoch dabei unterstützen, verstärkt ökologische Aspekte im Bauwesen zu berücksichtigen. Dabei sind sich die Fachexperten einig, dass Ressourceneffizienz und Wiederverwertbarkeit von Ressourcen vor allem durch die digitale Dokumentation der in den Gebäuden verbauten Materialen gelingen könne. Das Erfassen der richtigen Daten könne nach Prof. Dr. Markus König von der Ruhr-Universität dabei als „grünes BIM“ definiert werden. BIM werde aber dann vor allem durch das Mitdenken der Umwelt grün, so Walter Palmetshofer.

Aber auch digitale Anwendungen unterhalb von BIM werden bereits von vielen KMU im dynamischen Tempo angegangen und tragen deutlich zur digitalen Wertschöpfungskette des Bauwesens bei, unterstrich Dr. Andreas Geyer. Da für KMU mit der Digitalisierung ein ressourcenbeanspruchender Umstellungsprozess einhergehe, sei insbesondere der Bundesgesetzgeber gefragt, Orientierung zu geben, ökonomische Rahmenbedingungen zu setzen und Investitionssicherheit zu schaffen. Prof. Dr.-Ing. Markus König von der Ruhr-Universität Bochum betonte in diesem Zusammenhang, dass KMU hierbei sehr anpassungsfähig und technikaffin seien, es müssten jedoch klare Vorgaben und Standards vonseiten staatlicher Behörden gesetzt werden.

Gleichzeitig zeichnete sich während der öffentlichen Anhörung ab, dass es von hoher Bedeutung ist, auch die Menschen im digitalen Transformationsprozess mitzunehmen. So räsonierte Prof. Dr. Daniel Mondino: „Wir müssen es schaffen, dass die Denkweise stimmt und dass die Herangehensweise an digitale Prozesse nicht mit Ängsten, sondern mit Sicherheit und Chancen verbunden wird.“

Diese öffentliche Anhörung zeigte umso mehr die Komplexität und Bandbreite der Digitalisierung in der Bauwirtschaft. Inwiefern die Expertenmeinung in staatliche Unterstützungsmaßnahmen einfließen wird, bleibt abzuwarten.

Weiterführende Information zur öffentlichen Anhörung finden Sie hier.


31.01.2020