"Ich sehe die Pandemie auch als Chance für unsere Büroentwicklung"


Wie erleben kleine und mittelständische Unternehmen die Corona-Krise und wie funktioniert das neue Arbeiten von home office und über online und digitale Tools konkret? Wir fragen Horst Gumprecht, Geschäftsführender Gesellschafter von ANGELIS & PARTNER Architekten, Oldenburg. Er bleibt trotz aller Widrigkeiten positiv und betont, wie wichtig es ist, solidarisch zu sein.

Horst Gumprecht ist geschäftsführender Gesellschafter von ANGELIS &PARTNER Architekten und arbeitet am Standort Oldenburg. Das Architekturbüro wurde 1955 gegründet und ist heute erfolgreich überregional mit einem wachsenden Team von inzwischen über 50 Mitarbeitern an den drei Standorten Oldenburg, Wismar und Herzberg (Brandenburg) tätig. Horst Gumprecht ist zudem Mitgründer der Projektentwicklungsgesellschaft NEU_FUNDLAND, Regionalbeauftragter der Architektenkammer Niedersachsen (AKNDS) und aktiv in deren Ausschuss „Zukunft des Berufsstandes“ sowie dem Bund Deutscher Architekten (BDA) tätig.

Wann wurde Covid-19 in Ihrem Büroalltag präsent? 
Richtig virulent wurde die Coronathematik für uns im Oldenburger Büro mit der Rückkehr einiger Mitarbeitender aus dem Skiurlaub aus Österreich Anfang März. Zunächst noch eher als Hintergrundrauschen, dann aber aufgrund eines Verdachtsfalles am 12. März 2020 sehr konkret und mit entsprechenden Auswirkungen auf die Arbeit. Ich hatte mehrfach direkten Kontakt mit der betroffenen Person und wurde selbst von meiner Hausärztin nach Hause beordert, daher weiß ich das Datum so präzise. Das Ganze war eben ganz am Anfang des in Deutschland gesellschaftlich bewussten Umgangs mit der Pandemie. Kurze Zeit später war bekannt, dass die Kontaktperson des Verdachtsfalles selbst keine Verpflichtung zur Quarantäne hatte. 


Was sind die größten Herausforderungen und wie begegnen Sie diesen?
Wir haben mit der direkten Konfrontation mit dem Virus sofort unsere Kapazitäten für das Homeoffice an allen Standorten hochgefahren und wurden dabei intensiv von unserem externen Systemadministrator unterstützt. Einige Mitarbeitende waren bereits mit der Hardware ausgestattet, andere haben wir kurzfristig dazu in die Lage versetzt. Mittlerweile arbeiten ca. zwei Drittel des Teams im Homeoffice. Das andere Drittel ist im Büro und kann sich aufgrund der Bürogröße sicher „aus dem Weg gehen“ und die Kontaktsperre umsetzen. Wir haben die Reinigungszyklen erhöht und lassen mit entsprechenden Desinfektionsmitteln die von mehreren berührten Gegenständen reinigen. Neben der Hardware haben wir neue Tools implementiert, die die Kommunikation über die Entfernung verbessern helfen (Slack, Airtable, Videokonferenzen u.v.m.). Für uns alles Dinge, mit denen wir uns schon vor Corona auseinandergesetzt, aber nie die Zeit gefunden haben (oder uns genommen haben) die Dinge anzuwenden. Neben all den Herausforderungen, die mit der Pandemie zusammenhängen, bin ich davon überzeugt, dass wir hinterher in unserer Büroentwicklung weiter sind, als wir es vorher waren. 
Wir schaffen es derzeit unseren Output aufrecht zu erhalten und versuchen sogar, Dinge und Aufgaben vorzuziehen – es ist erstaunlich, wieviel Zeit frei wird, wenn nicht für jedes Thema eine Besprechung anberaumt wird – auch eine Lehre für Nachher! Und trotzdem ist die wesentliche Herausforderung, die bürointerne Kommunikation effektiv aufrecht zu erhalten und alle Mitarbeitende auch mitzunehmen und einzubinden. Derzeit machen wir uns intensiv Gedanken darüber, wann und wie wir das Kollegium wieder in einen Büroalltag (im Büro) integrieren können. Unsere Projektgröße ist ja davon geprägt, dass mehrere an einem Projekt arbeiten und da ist das gegenseitige Briefing von elementarer Bedeutung.


Kurzarbeit, Notkredite, Änderung in der Niedersächsischen Wertgrenzenverordnung – welche Auswirkungen hat das Virus für Sie und ihr langjährig etabliertes Architekturbüro ANGELIS & PARTNER mit seinen drei Standorten und die frisch gegründete Projektentwicklungsgesellschaft NEU_FUNDLAND?
Die direkten Auswirkungen sind tatsächlich im Moment eher gering. In einem unserer Oststandorte sind zwei Verwaltungsangestellte in der Kurzarbeit. Ansonsten sind wir alle mit Hochdruck am Produzieren von Plan- und Bearbeitungsständen. Die konkreten Projekte der Projektentwicklungsgesellschaft NEU_FUNDLAND befinden sich in einem Stadium, in dem die Coronakrise noch keinen Schaden oder keinen Schaden mehr anrichten kann – da haben wir mit dem Zeitpunkt wirklich Glück gehabt. Für die Zukunft sehe ich auch eher Chancen. Die Entwicklungen im Vergaberecht und die auch weiterhin zu erwartenden Ausnahmeregelungen beobachten wir natürlich intensiv. 


Sie sind auch Regionalbeauftragter der Architektenkammer Niedersachen (AKNDS) und im Bund Deutscher Architekten (BDA) aktiv: wie ergeht es den Kollegen momentan? Welche Auswirkungen hat das Virus auf Ihre Kammer- und Verbandsarbeit?
Als Regionalvertreter der Kammer bin ich tatsächlich noch nicht direkt im Zusammenhang mit der Coronakrise kontaktiert worden. Auswirkungen gibt es trotzdem. Die Architektenkammer Niedersachsen wird dieses Jahr 50 und es war geplant hierzu in den Regionen an vier Standorten auch eine entsprechende Jubiläumsfeier auszurichten. Einer der Standorte war Oldenburg. Stand jetzt ist, dass alle Feiern abgesagt werden und ich glaube, dass ist in Richtung der Mitglieder*innen auch das richtige Signal. Wir sind aber als Gruppe der Regionalvertreter*innen schon für eine Videokonferenz verabredet und die Arbeit muss unter geänderten Vorzeichen weitergehen. 
Wie natürlich in allen gesellschaftlichen Bereichen, ist auch der Austausch über die Bürogrenzen hinweg (Kontakt zu BDA- Kollegium etc.) Opfer des Lockdown geworden und findet tatsächlich nur zufällig statt. Das ist vielleicht eine der negativsten Wirkungen der „Selbst“-/ Fremdisolation und betrifft ja alle Lebensbereiche! 
Ich arbeite neben dem Regionalausschuss auch noch in dem AKNDS- Ausschuss „Zukunft des Berufsstandes“ mit. Dort haben wir für den September 2020 einen großen und namenhaft besetzten Kongress zu all den Zukunftsfragen von Beruf und Gesellschaft in Hannover geplant und planen diesen noch immer, wissen aber natürlich nicht und man muss es kritisch sehen, ob dieser auch stattfinden kann. Die ordentliche Vertreterversammlung der AKNDS im Mai ist bereits abgesagt und auf den November quasi verschoben.


Die Bundesregierung hat gerade eine stufenweise Lockerung verkündet. Wie blicken Sie der Zukunft entgegen? 
Ich habe es weiter oben schon angedeutet, dass ich eher positiv in die Zukunft blicke. Neben der ganz wesentlichen Tatsache, dass wir weiterarbeiten können und uns an die Einschränkungen mit technischen und sozialen Lösungen gut anpassen können, sehe ich einen großen Vorteil darin, dass der Baubereich weiterhin aufgrund der gesellschaftlichen Herausforderungen (weiterhin Wohnungsknappheit und weiter steigender Bedarf an intelligenten Gebäudekonzepten) ein auch inhaltlich positives und nicht nur ökonomisches Wachstum erfahren wird. Und – ich glaube, dass muss ich auch mal ganz deutlich betonen und es wird leider zu oft vergessen –  wir können uns überglücklich schätzen, in Europa und im Besonderen in Deutschland zu leben und ich wünsche mir mit allen anderen Ländern und deren Menschen, die deutlich härter betroffen sind, auch deutlich mehr Solidarität! Das beginnt bei unseren europäischen Nachbarn und endet dort noch lange nicht. 
 


17.04.2020