Hammer 4.0: Auch das Handwerk wird digital


Handwerk hat die Zukunft im Blick – wie läuft es mit der Digitalisierung der Betriebe? Und wie ist die Situation in Zeiten von Corona? Für Brandenburg, speziell für die Lausitz, haben wir dazu mit Matthias Steinicke von der Handwerkskammer Cottbus gesprochen.

Wir erinnern uns: März 2020. Kontaktbeschränkung, Reiseverbot, Unterhaltungsstätten wurden geschlossen, Einzelhändler durften bis auf wenige Ausnahmen nicht öffnen. So wie es in fast jedem Bundesland unterschiedliche Auflagen und Regeln zum Umgang mit der Corona-Pandemie gab und nach wie vor gibt, so unterschiedlich sind die Auswirkungen auf das Handwerk. Friseur- und Kosmetiksalons waren wegen des Kontaktverbots lange geschlossen und wagen sich nun – mit Einschränkungen – wieder an ihre Kunden heran. Maler und Lackierer hatten zunächst das Nachsehen, weil Kunden von Innenarbeiten in Shutdown-Zeiten wenig hielten. Zugleich sank die öffentliche Investitionsbereitschaft. Doch von der Pandemie betroffen waren fast alle Gewerke. Denn den Handwerksbetrieben fehlten die Mitarbeiter, weil Kitas und Schulen geschlossen oder nur begrenzt geöffnet waren. Und trotzdem waren es gerade Handwerker, die den Menschen während der Corona-Pandemie eine Versorgung mit Dienstleistungen, Produkten und Lösungen sicherten.

Handwerk noch stabil

Die Baubranche sei recht gut weggekommen, immerhin konnten die Handwerker weiterarbeiten und vor allem auf der Baustelle die Abstandregeln einhalten, Probleme hätte es eher in der Lieferkette gegeben, weiß Matthias Steinicke, Beauftragter für Innovation und Technologie bei der Handwerkskammer (HWK) Cottbus, einem der Kooperationspartner im Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Planen und Bauen. „Die Corona-Pandemie ist eine gewaltige Herausforderung für das Handwerk. Der Beratungsbedarf stieg in den letzten Monaten immens“, erläutert Steinicke. Damit bestätigt er die Aussagen einiger unserer Partner-Verbände, die ebenfalls einen erhöhten Informationsbedarf bei ihren Mitgliedern festgestellt haben.

Ansprechpartner in Krisenzeiten

Bei der HWK Cottbus gab es über 2.500 Anfragen und Beratungen allein zur Soforthilfe. „In Online-Seminaren konnten wir unsere Unternehmen informieren, welche Hilfen für sie in Betracht kommen. Aber auch Beratungen zu bau- und werksvertraglichen Informationen wurden nachgefragt, ebenso zum Infektionsschutzgesetz, zu Hygienemaßnahmen, bis hin zu den erlaubten Öffnungszeiten für die Firmen. Auf der Corona-Website der HWK Cottbus wurden täglich alle News zu den Branchen eingestellt. Der Service für unsere Mitglieder besteht darin, die vielen Anfragen zu filtern und schnellstens entsprechende Informationen zu veröffentlichen, wobei die HWK Cottbus zugleich mit persönlichen Ansprechpartnern bereitsteht, um immer wieder individuell beraten zu können“, erläutert Steinicke.

Digitale Transformation setzt ein

Wenn man der Corona-Krise etwas Gutes abgewinnen könne, dann wäre es ein Push der Digitalisierung, die nun zumindest ins Rollen käme, heißt es von der HWK Cottbus. Online-Meetings würden sich durchsetzen, wegen ausfallender Präsenzveranstaltungen gebe es vermehrt Online-Workshops, wobei momentan auch hier das Thema Corona dominiere. Durch Umfragen würden weitere Themen ermittelt, die für die Mitglieder interessant seien. „Wir bieten zudem Kurse an, die sich an Mitglieder richten, die erst am Anfang der Digitalisierung stehen. Wir zeigen ihnen, welche kleinen Tools es zum Testen oder Herunterladen gibt oder was bereits auf dem Smartphone vorhanden ist, zum Beispiel für Kommunikation oder Mindmapping. Vieles ist mit Boardmitteln möglich“, erzählt Matthias Steinicke.

Noch immer gebe es Handwerker, die am liebsten die Finger lassen würden von allem mit dem Namen Digitalisierung. Bei der Wissensvermittlung werde die HWK Cottbus auch deshalb künftig intensiver auf Blended Learning setzen, eine Kombination aus Präsenzkursen und E-Learning, weil auch in Zeiten der digitalen Transformation nicht jeder auf Präsenzveranstaltungen verzichten möchte.

Datensicherheit gewinnt Aufmerksamkeit

Zudem weist Matthias Steinicke darauf hin, dass wegen der verstärkten Nutzung von Apps und Kommunikationstools zugleich das Empfinden für die Datensicherheit zunehme, die Nutzer also sensibilisiert würden. Gleichzeitig würden die Handwerksunternehmen merken, dass sie sich im Zuge der Digitalisierung fortbilden müssen, nicht zuletzt durch die künftig zur Pflicht erhobene elektronische Rechnung seien viele Handwerker „wach geworden“. Aber auch Digitales Dokumentenmanagement (DMS), Cloud-Systeme und mobile Anwendungen auf der Baustelle gehörten zu den nachgefragten Weiterbildungen.

Künstliche Intelligenz noch Randthema

Das vermeidliche Trendthema Künstliche Intelligenz (KI) hingegen spiele laut Matthias Steinicke im kleinen Handwerk bisher eine untergeordnete Rolle, das Thema wäre eher z.B. in der Metallverarbeitung präsent. „Dennoch meinen wir als Kammer, dass KI im Handwerk durchaus möglich und nützlich ist. Die Fehleranalyse ist die große Stärke der KI“, so Steinicke. „Dafür braucht es aber viele Daten, denn KI lernt besonders durch Negativereignisse. Wenn zu wenig Daten vorhanden sind, müsste mehr Zeit und Kraft in die Analysephase gesteckt werden.“

Die Schlechte Netzabdeckung in Brandenburg sei allerdings nach wie vor ein Hemmschuh. „Die Überzeugung zum mobilen Arbeiten ist somit kaum möglich, schon gar nicht draußen“, berichtet Steinicke. Deshalb warnt die HWK Cottbus, die Strukturunterstützung für die Region dürfe durch Corona-Hilfszahlungen nicht entfallen, die Strukturprogramme müssten vielmehr weiterlaufen. „Wir brauchen in der Lausitz flächendeckend wenigstens 4G“, gibt sich Steinicke beinahe bescheiden.

Persönlich hat Matthias Steinicke noch einen Wunsch für seine Arbeit als Innovationsbeauftragter der HWK Cottbus: Eine zentralisierte Plattform für Themen rund um die Digitalisierung des Bauens, inklusive Datenbank mit Suchfunktion, die Auskunft gibt, an wen man sich zu welchem Thema wenden kann – oder wie er es beschreibt: „die Gelben Seiten für Kompetenzzentren“.
 


08.07.2020

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Region West