Was die Digitalisierung für mittelständische Planungs- und Bauunternehmen bedeutet


Im Interview mit Dr. Jan Tulke (Teil 1), Geschäftsführer der planen und bauen 4.0 GmbH sowie Leiter des nationalen BIM-Kompetenzzentrums, sprachen wir darüber, wie sich mittelständische Planungs- und Bauunternehmen digital aufstellen können, wie sich derzeit der Datenaustausch unter den Projektpartnern gestaltet und welcher Bedeutung dabei Open-BIM zukommt.

 

Ist das Thema Digitalisierung bei den mittelständischen Planungs- und Bauunternehmen bereits angekommen?

Ich glaube das Thema ist in jedem Fall im Bewusstsein angekommen. Es gibt eine Vielzahl an Projekten - etwa vom Bund, von den Ländern oder zunehmend auch von privaten Auftragnehmern - die sich dem Thema der Digitalisierung angenommen haben und dieses in der Zusammenarbeit mit kleineren und mittleren Unternehmen (KMU) verstärkt einfordern. Mitunter sind dadurch immer mehr KMU mit dem Thema in Berührung gekommen. Es ist zwar sicherlich noch nicht so weit, dass jedes kleine und mittelständische Unternehmen in Deutschland schon digitale Methoden anwendet oder gänzlich modellbasiert arbeitet, dennoch sind wir auf einem guten Weg.

Wird der Wettbewerbsdruck für kleine und mittlere Unternehmen im Zuge der Digitalisierung nicht zu groß?

Das sehe ich erstmals nicht so. Auf der einen Seite muss man bedenken, dass es für kleinere Unternehmen im Vergleich zu Größeren zunächst viel einfacher ist, sich flexibler auf neue Methoden und Prozesse umzustellen. Große Unternehmen haben vielleicht eine höhere Finanzstärke oder personell besser besetzte Stabstellen, die sich mit digitalen Themen intensiver befassen können. Auf der anderen Seite sind kleine Unternehmen deutlich anpassungsfähiger – vorausgesetzt es gibt klare Standards und Vorgaben.

Welche Digitalisierungsstrategie empfehlen Sie dahingehend kleinen und mittleren Büros?

Zunächst ist es wichtig, sich jetzt mit digitalen Methoden und neuen Technologien zu befassen, sich zu informieren und im Unternehmen auch den Praxistest durchzuführen. Es geht vor allem darum, aus eigener Motivation heraus zu erkennen, welche internen Prozesse im Unternehmen verbessert werden können. Hier sollte nicht darauf gewartet werden, bis digitale Methoden verpflichtend werden oder man diese in einem Projekt extern vorgegeben bekommt. Dabei sollte am besten eigenständig verfolgt werden, welche Prozesse des jeweiligen Unternehmens durch die Digitalisierung profitieren können. Dann sollten intern erste Erfahrungen mit der neuen Methode gesammelt werden, so dass Schritt für Schritt eigenes Know-How aufgebaut werden kann. Das kann wiederum förderlich in der Projektzusammenarbeit mit anderen Partnern sein, vor allem weil die unternehmensintern entwickelten Methoden nun auch nach außen hin weiter ausgearbeitet werden können.

Wo liegen derzeit die größten Hürden in der Zusammenarbeit mit anderen Projektpartnern?

Eine Herausforderung ist sicherlich die kleinteilige Struktur der Baubranche und die teilweise noch fehlenden Standards. Hier sind oftmals projektbezogen viele verschiedene Unternehmen in einem Projekt involviert. Dabei gibt es auf Auftragnehmerseite oftmals keine streng hierarchischen Vertragsbeziehungen, so dass kein einzelner Player die Arbeitsweise zentral vorgibt. Der Abstimmungsaufwand zwischen der Vielzahl von Beteiligten ist somit im Vergleich zu anderen Branchen in Bezug auf die Länge der Projekte relativ hoch.

Im Zuge der Zusammenarbeit zeichnen sich oftmals auch technische Probleme des medienbruchfreien Datenaustauschs über neutrale Schnittstellen ab. Sind diese bereits gelöst?

Derzeit sind anwendungsbereichsbezogen verschiedene Formate auf dem Markt vorhanden, die auch schon relativ weit entwickelt sind. Natürlich gibt es bei den ein oder anderen Stellen z.B. im Infrastrukturbereich noch Nachholbedarf, aber grundsätzlichen haben die bisherigen Pilotprojekte gezeigt, dass die neutralen Schnittstellen tauglich sind und auch genutzt werden können. Dabei ist jedoch ein gewisser Sachverstand erforderlich. Das ist dadurch bedingt, dass verschiedene Produkte zusammenspielen und diese dann entsprechend konfiguriert werden müssen, damit Datenschnittstellen richtig bedient werden können. Dies entspricht meist nicht einem simplen „Push-the-button“ Prinzip.

Welche Schritte sind erforderlich, um den Herausforderungen des Datenaustauschs effektiv zu begegnen?

Einerseits ist es wichtig, klare Vorgaben in den Projekten zu etablieren - sei es in Form eines BIM-Abwicklungsplanes oder idealerweise durch möglichst präzise Auftraggeber-Informations-Anforderungen (AIA). Auf der anderen Seite spielt das Thema Standardisierung eine wichtige Rolle - also die Weiterentwicklung der verschiedenen Datenformate, Methoden und Prozesse. Zudem gilt es die Qualitätssicherung zu beachten. Da gibt es beispielsweise Softwarezertifizierungen und bestehende Qualitätsverfahren um sicherzustellen, dass die bestehenden Standards dann auch qualitativ hochwertig in die Schnittstellen bzw.  Software implementiert werden. Und das Ganze wird mit der zunehmenden Nutzung einen höheren Reifegrad erlangen. Dieser durchgehende Datenaustausch spielte in der Vergangenheit eher eine untergeordnete Rolle und dementsprechend ist beim Entwicklungsstand noch Luft nach oben.

Ist OpenBIM bereits Realität oder doch nur Ideal?

Ich glaube, das Bewusstsein setzt sich jetzt zunehmend durch, dass die Fragestellungen oder die Aufgabenbereiche, die später aus den Modellen bedient werden sollen, so vielfältig sind, dass es im Prinzip durch einen Closed-BIM Ansatz so gut wie nicht machbar ist. Kein Hersteller oder Ökosystem nutzt alle Anwendungen von nur einem Anbieter. Hier werden verstärkt unterschiedliche Spezialprogramme verschiedener Hersteller integriert. Natürlich möchte jedes Unternehmen, welches an einem Projekt beteiligt ist, für sich erstmal eine stabile IT-Infrastruktur sicherstellen und dann in jedem weiteren Projekt das gleiche IT-System nutzen. Allein daraus ergibt sich schon, dass in jedem Projekt unterschiedliche Systeme verschiedener Projektbeteiligte zusammenspielen müssen. Und das ist eigentlich nur mit dem Ansatz offener Schnittstellen möglich. 

 

Im noch zu veröffentlichenden, zweiten Interview erklärt Dr. Jan Tulke, wie das Thema “Digitalisierung der Bau- und Immobilienwirtschaft” auf politischer Ebene behandelt wird und welche Schritte demnächst vonseiten der Bundesregierung zu erwarten sind. 


18.08.2020