Ökobilanzierung und BIM im nachhaltigen Bauen


BIM spielt seine Vorteile nicht nur beim Planen und Bauen aus. Erweitert auf das Thema Nachhaltigkeit ermöglicht BIM auch die schnelle und detailgetreue – fast komplett automatisierte – Erstellung von Ökobilanzen und trägt damit maßgeblich zum nachhaltigen Bauen bei.

Seit Anfang Januar 2021 ist die Vergabe öffentlicher Aufträge mit der Pflicht verbunden, diese mit BIM zu planen. Schon zwei Jahre zuvor hatte das Forschungsprojekt „Ökobilanzierung und BIM im Nachhaltigen Bauen“ des Bundesamts für Bauwesen und Raumordnung (BBR) ermittelt, dass BIM nicht nur bei der Planung und Realisierung von Gebäuden Vorteile mit sich bringt. Auch Nachhaltigkeitsbewertungen lassen sich mit Hilfe eines digitalen Gebäudezwillings einfacher, fehlerärmer, detaillierter und auch schneller realisieren.

Lebenszyklus plus Umweltwirkung

Eine Ökobilanzierung umfasst den gesamten Lebenszyklus eines Bauwerks. Dies beginnt mit der Gewinnung der Rohstoffe, setzt sich fort über die Bauarbeiten und den Betrieb des Gebäudes und endet mit der Entsorgung bzw. Wiederverwertung der Materialien nach dem Rückbau. Über den Gebäudelebenszyklus fließen auch alle relevanten Umweltwirkungen (soweit sie quantifizierbar sind) in die Auswertung ein. Um eine Ökobilanz zu erstellen, sind mehrere, aufeinander abgestimmte Arbeitsschritte erforderlich. Zunächst werden das Ziel und der Untersuchungsrahmen definiert und auf dieser Basis eine sogenannte „Sachbilanz“ erstellt. Im Anschluss wird das Ergebnis in der Regel nochmals verdichtet und die „Wirkungsabschätzung“ ausgewertet und interpretiert.

Digitalisierung vereinfacht Ökobilanzierung

Müssen die für eine Nachhaltigkeitsbewertung erforderlichen Angaben zu Energie- und Stoffströmen manuell aus 2D-Zeichnungen und aus Baubeschreibungen entnommen werden, erfordert das Zusammentragen, Vernetzen und Auswerten der Daten nicht nur viel Zeit. Diese Arbeit ist auch komplex, fehleranfällig und ungenau. Händisch ermittelte Bilanzen werden daher häufig vereinfacht und pauschal abgebildet. Mit BIM können die für die Berechnung notwendigen Informationen jedoch früher, strukturierter und einfacher generiert bzw. geliefert werden. Da eine BIM-Planung stets modellbasiert und bauteilorientiert erfolgt, liegen die Informationen zu Bauteilen und Materialien stets digital und korrekt vor. Diese umfassenden Datensätze ermöglichen inzwischen eine nahezu vollständig automatisierte Gebäudeökobilanzierung entsprechend Bewertungssystem Nachhaltiges Bauen (BNB). So lassen sich Nachhaltigkeitsaspekte schon vor dem Bauen stärker berücksichtigen, Fehler in der Ökobilanz vermeiden und Auswertungen schneller sowie detaillierter generieren.

BIM 6D: eine neue Dimension

Erforderlich ist dafür allerdings die Erweiterung von BIM auf die Dimension 6D (Nachhaltigkeit) – 3D umfasst die dreidimensionale Geometrie des Gebäudes, 4D berücksichtigt den Faktor Zeit, 5D bezieht das Kostenthema ein und 7D ergänzt das Facility Management. Mit 6D BIM können Daten zur Ausrichtung und Eigenschaften der Bauteile sowie sonstige Geometriedaten gewonnen werden. Darüber hinaus lassen sich detaillierte bauphysikalische Simulationen in die Ökobilanz integrieren. Hierzu gehören etwa Gesamtenergiesimulationen, die für die LEED-Zertifizierung benötigt werden, aber auch Tageslichtsimulationen und die Simulation des sommerlichen Wärmeschutzes sowie Berechnungen von Wärmebrücken oder Simulationen zum thermischen Komfort, wie sie bei der BNB- oder DGNB-Zertifizierung verlangt werden.

Hintergrunddaten in Form von EPDs

Neben geometrischen Daten fließen auch sogenannte Hintergrunddaten in Form von Umweltproduktdeklarationen (EPDs) in die Ökobilanz ein. Diese EPDs liegen bis dato überwiegend noch als PDF-Dateien vor, sodass sie erst in das Bewertungssystem übertragen werden müssen – eine bisher oft zeitaufwändige und fehleranfällige Aufgabe. Einfacher wird das Übertragen durch maschinenlesbare Datensätze – digitalisierte EPDs, die über eine sog. UUId (Universally Unique Identifier) an die BIM-Planung angebunden werden. Sie lassen sich exakt nur einem Objekt zuordnen und minimieren damit die Fehlerquote bei der Auswertung der relevanten Bauteilinformationen innerhalb der Ökobilanz.

Von der Ökobilanz zur Zertifizierung

Mit der zunehmenden Anwendung von BIM steigen somit auch die Möglichkeiten, detailliertere und exakte Ökobilanzen zu erstellen und diese zu automatisieren. Darüber vereinfacht 6D BIM auch das Erstellen der für Zertifizierungen nach LEED, BREEAM, DGNB und dem noch nicht so bekannten Bewertungssystem Nachhaltiges Bauen (BNB) des Bundes notwendigen Informationen. Und es erleichtert nicht zuletzt die Ermittlung von ESG-Daten (Environment, Social, Governance), die für die Prüfung von nachhaltigen Investitionen unerlässlich sind.

 


04.11.2022